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Posthum muss er das Käthchen ertragen

Von Leonore Welzin

 

Posthum muss er das Käthchen ertragen

Starkes „Käthchen“-Solo: Eunike Yumika Engelkind.

Foto: Leonore Welzin

Heilbronn – Es ist Goethes 48. Geburtstag. Zufällig in Heilbronn, genehmigt sich der Dichter eine Kutschfahrt auf den Wartberg und ist angetan von den Weinbergen, dem Blick ins Neckartal, dem lauen Wind und der hinter Wimpfen untergehenden Sonne. „Alles, was man übersieht, ist fruchtbar“ notiert der Dichter am 28. August 1797 in sein Reise-Tagebuch.

200 Jahre später, 1997 greift ein Club traditionsbewusster Heilbronner, allen voran der Journalist Uwe Jacobi und der Leiter des Kleist-Archivs-Sembdner, Günther Emig, das geschichtsträchtige Ereignis auf: Bei strömendem Regen lässt man sich in einem Zweispänner à la Goethe auf den Gipfel kutschieren.

Die Geburtstagsgaudi wird mit wechselndem Programm alljährlich wiederholt. In diesem Jahr feiern rund 100 Fans den Jubilar mit Kleists „Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe“. „Ich will das Käthchen vom Kitsch befreien“, so das Credo von Eunike Engelkind, deren Aufführung wegen des unbeständigen Wetters nicht im Freien, sondern im Speisesaal des Restaurants gezeigt wird. In der Goethe-Stadt Frankfurt aufgewachsen und durch die Waldorfpädagogik mit Klassik und Mystik vertraut, ist die Figur für Engelkind keine Somnambule, die naiv dem Mann ihrer Träume hinterher läuft.

Die Darstellerin hat die fünf Akte des Ritterschauspiels zu einem Solo verdichtet. Bis auf zwei Stühle verzichtet sie auf Bühnendekor und Requisiten, setzt ganz auf Rhetorik, Rhythmus, Mimik und Gestik, um präzise und textsicher einen ausdrucksstarken, einstündigen Bogen zu spannen. Der Stoff, den sie als Auseinandersetzung der Protagonistin mit den Elementen Luft, Feuer und Wasser versteht, gleicht einer spirituellen Reifung, die in einer Art mystischer Hochzeit endet.

Engelkind wird mit Lob überschüttet. „Ungeheuer mutig, ein so schweres Stück in persönlicher Bearbeitung in einem Rutsch durchzuspielen“, sagt Johannes Bahr, Schauspieler am Theater Heilbronn (spielte den Kaiser in Das Käthchen).

Kleist und Goethe? Als ihm, dem fast 60-jährigen Direktor des Weimarer Hoftheaters 1808 Kleists „Käthchen“ vorgelegt wird, gerät er in Rage: „Ein wunderbares Gemisch von Sinn und Unsinn!“ Er soll das Buch mit den Worten: „Das führe ich nicht auf, wenn es auch halb Weimar verlangt!“ ins Feuer geworfen haben. Der Dichterfürst muss nicht nur das „Käthchen“, auferstanden wie ein Phönix aus der Asche, posthum ertragen, er sollte einsehen, dass Kleists Frauenbild wesentlich fortschrittlicher war als das seine.

Dieser Beitrag wurde am 29. August 2013 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.